Trophäe der Westenfelder Schützengilde von 1598, Silber, vergoldet

Objektnummer : 

Norddeutschland, 1598

Silber, vergoldet, getrieben, gegossen, ziseliert, punziert, graviert

ungemarkt

Inschrift mittig auf dem Schild: Monogramm „BW“, darum herum Ring mit Aufschrift: „DE(R?) BURSCHAP. THO. WESTEN. VELDE. THON. ALDENBERGEI HORT DUSSE VOGEL THO 1598“

Höhe: 12 cm, Länge: 19 cm, Gewicht: ##g

Bilder

Detaillierte Informationen

Beim „Königsschießen“ der Bauernschaft von Westenfelde wurde ab 1598 diese silberne, vergoldete Schützentrophäe vergeben. Hängend an einer Doppelkette mit Ösen, mit dem Wappenschild der Schützengilde von Westenfelde, galt dieser Hahn, als höchste Auszeichnung des sogenannten „Vogelkönigs“.

Der stilisierte Hahn krallt sich angespannt auf einem kleinen Zweig fest. Er hängt ausbalanciert – gleich einem Mobile – an einer Doppelkette. An einer Öse mit Kette, am Schnabel des Vogels, ist ein Ring mit der Aufschrift „DE(R?) BURSCHAP. THO. WESTEN. VELDE. THON. ALDENBERGEI HORT DUSSE VOGEL THO 1598“ angebracht. Darunter baumelt eine Armbrust, als Hinweis auf die verwendete Waffe des sportlichen Wettstreits. Das Wappenschild zeigt das Monogramm BW für die „Burschap von Westenfelde“.

 

Der Ausdruck „Burschap“ (lateinisch „Burscarpium“), norddeutsch für „Bauernschaft“, wird insbesondere in der Region um Hannover verwendet. Die Herkunft des Vogels lässt sich auf den Ort Westenfeld, Altenberge im Kreis Steinfurt, in Nordrhein-Westfalen zurückverfolgen. Die an den Schnäbeln der Schützenvögel angebrachten Wappen und Medaillen waren häufig so schwer, dass die Schnäbel der Vögel beschädigt wurden oder ganz abbrachen. Gut erhaltene Schützenvögel haben daher einen hohen Seltenheitswert. Glücklicherweise hat sich der silberne Vogel, belegt durch eine Abbildung im Kunst- und Kuriositätenlexikon von 1883 bis heute ausgezeichnet erhalten.

 

DER „Papagei“ als Auszeichnung für den „Vogelkönig“

Ernést Boscs Lexikon beschreibt die Verwendung des „Papegai/Papegay“ als Preis für ein Geschicklichkeitsspiel der Schützen, bei dem ein Vogel aus Holz oder Karton auf einer Stange platziert wurde, der dann erfolgreich getroffen werden musste, um die ersehnte Trophäe zu erlangen. Das bereits im 14. Jahrhundert populäre Spiel, sollte die Schützen zu herausragender Treffsicherheit motivieren. So stifteten Städte und Herrschende begehrte Preise wie Pokale und Schalen aus Silber, Münzen, Medaillen manchmal auch Ochsen, um im Notfall auf gut ausgebildete Schützen an der Waffe zurückgreifen zu können. Bis heute wird das Vogelschießen als sportlicher Wettstreit in vielen Ortschaften praktiziert.

 

„Papageien“ an Königsketten

Als Auszeichnung, für die bereits im 14. Jahrhundert verbreiteten Sportwettkämpfe, war es ab 1500 in Mode gekommen, Vögel an Ketten anzubringen, um den „Vogelschützenkönig“ nach mehrmaligem Gewinnen des Vogelschützenwettbewerbs zu ehren. Ehrenketten wie diese, auch als Königsketten bezeichnet, wurden zusammen mit daran hängenden Plaketten, Medaillen und Münzen als Auszeichnung an besonders talentierte Schützen vergeben.

Als silberne Preisvögel dienten häufig Tauben, Papageien, Schwalben, Adler und Hähne. Viele der Vögel sind stilisiert dargestellt und lassen sich nicht eindeutig identifizieren. Aus der Zeit von 1500 – 1700 haben sich einige silberne Vögel erhalten, zum Beispiel in Braunschweig, Duderstadt, Epe und Linz am Rhein und im Victoria and Albert Museum in London. An den Königsketten waren traditionell das Wappen und der Name der Schützengilde angegeben, zusätzlich häufig auf Plaketten die Namen und Jahreszahlen der Schützenkönige angebracht. Die Vögel selbst wurden im Laufe der Jahre mit Inschriften, Ringen, Kronen, Halsbändern und Ästen ausgestattet, im Fall der Braunschweiger Königsketten wurde durch den regelmäßigen, viele Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte langen Gebrauch, mehrfach eine Erneuerung der Vergoldung nötig, diese kann in Braunschweig auch anhand von Quellen belegt werden.

 

Provenienz

Nur ein glücklicher Zufall – der frühe Übergang der Trophäe in die anerkannte Kunstsammlung von Monsieur Maxime Ducamp, in den 1880er Jahren – ermöglichte einen so ausgezeichneten Erhaltungszustand des Objektes. Seine Wertschätzung ist nicht nur durch seine Erwähnung und Abbildung (!) in einem Lexikon des 19. Jahrhunderts belegt; bis in heutige Zeit – der Vogel befand sich bis 2008 in der Sammlung J. Kugel Paris – beeindruckt die außerordentlich gut erhaltene Schützentrophäe den Betrachter.

 

LITERATUR

Bosc, Ernést: Dictionnaire de l`art, de la curiosité et du bibelot, Paris 1883, S. 516 – 518, darin insb. S. 517f. mit Abbildung und Transkription der Inschrift (dort wird bei der Datierung fälschlicherweise 1528 angegeben)

 

Zu Schützenbruderschaften und Schützengilden, Schützen-Trophäen, „Papageyen“ und Königsketten:

Rönz, Andrea: Quellen zur Geschichte der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Linz (2014/2019), in: Stadtarchiv Linz am Rhein – Archiv und Stadtgeschichte im Web 2.0, https://archivlinz.hypotheses.org/232

„Schützengilde Duderstadt, Historische Königsketten“, https://www.sg-duderstadt.de/unsere-tradition-kultur/schuetzenketten/index.html

„Schützengilde Duderstadt, Schützenvogel und Vogelschießen“, https://www.sg-duderstadt.de/unsere-tradition-kultur/schuetzenvogel-vogelschiessen/index.html

„Schützengilde St. Katharina Epe, Chronik“, https://www.schuetzengildestkatharina.de/chronik/

„Schützenorden, Schützenschilden, Schützenplaketten, Schützenmedaillen“, Ausstellung Schützenketten und Kleinodien im Studio 18 Ahlen 1965, http://Schützenketten und Kleinodien (studio-18-ahlen.de)

Spies, Gerd: Fünf Jahrhunderte Braunschweiger Schützen, Ausstellung Städtisches Museum Braunschweig 1970, darin mehrere Schützenvögel und Königsketten

Stierling, Hubert: Von alter Schützen Herrlichkeit, in: Nordelbingen, Beiträge zur Heimatforschung in Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck, Band 21, Heide in Holstein 1953, S. 31 – 39

Victoria and Albert Museum London: “Archery Prize, Mechelen, Jongh, Jean De, 1770”, https://collections.vam.ac.uk/item/091837/archery-prize-jongh-jean-de/

Victoria and Albert Museum London: “Popinjay, North Brabant, 1500 – 1550”, https://collections.vam.ac.uk/item/0324476/popinjay-unknown/