Diese rechteckige Dose mit Silbermontierung und Scharnierdeckel hat oben und unten jeweils ein Fach. Der kupferne Untergrund wurde zunächst außen und innen mit weißem Email beschichtet. Auf dieser emaillierten Oberfläche sind Goldauflagen aufgebracht.
Die zwei Scharnierdeckel sind dadurch sehr reich und spielerisch mit naturalistischen Motiven geschmückt. Auf jeder Seite und zwischen kunstvoll gezwungenem Blattwerk und Blumen sind in Gold ein Fuchs in der Mitte, ein Hund in der unteren, rechten Seite und ein Vogel in der oberen, linken Seite zu sehen. Der Hund scheint dem Fuchs aufzulauern. Die Goldauflagen von Blattwerk und Blumen sind darüber hinaus stellenweise mit kristallklarem Email in grüner und roter Farbe bereichert. Es bleibt dabei eine goldene Kontur stehen. Der finale Effekt ist eine Verzierung mit gefassten Edelsteinen.
Das Gesamtdekor ist sehr schön treu an den Stil des Rokokos gestaltet. Man könnte denken, dass die Dose zur Jagd mitgenommen wurde.
Die Dose ist in einem sehr guten Zustand und weist Gebrauchsspuren auf. Französische Marken sind auf der Innenseite des Deckels ligiert.
Eine fast identische Dose befindet sich im Österreichischen Tabakmuseum, s. Snuff Boxes oder Von der Sehnsucht nach lüsternen Nase, Kat. Nr. 185.
Helga Matzke zeigt noch eine weitere Dose aus der gleichen Zeit und Werkstatt.
Solch dekorierte Dosen, bzw. Schnupftabakdosen sind zumeist der Berliner Werkstatt des Hugenotten Pierre Fromery zugeschrieben. Pierre Fromery (1655-1738) war ein Emigrant aus Frankreich, der in Berlin als erfolgreicher Uhr-, Dosenmacher, Stahlschneider und Waffenschmied tätig war. Nach dem Tode des Pierre 1738 hat sein Sohn Alexander (1695-1775) das Haus Fromery weitergeführt. Alexander Fromery als Galanteriewarenhändler hat 1733 mit der Meißner Manufaktur in Geschäftsverbindung gestanden, mit ihr korrespondiert und auch Waren von dort bezog (Holzhausen 1930/31, S. 10).
Christian Friedrich Herold (1700-79) arbeitete in der Fromery-Werkstatt und wechselte 1726 zur Meißner Porzellanmanufaktur. Dort hat er sich insbesondere mit der Technik der Goldauflagen auf Porzellan beschäftigt. C. Fr. Herold hat außerdem die bereits weit entwickelte Feinmalerei der Porzellanmanufaktur veredelt und die Linie der romantischen See- und Ruinenlandschaften weiterentwickelt (Holzhausen 1930/31, S. 12). C. F. Herold war weiterhin für die Fromery-Werkstatt tätig – trotz des Protests des Manufakturleiters.
Weiß emaillierte Objekte (Toilettenartikel und Dosen) werden oft als „Email de Saxe“ bezeichnet. Ihr Dekor besteht in der Regel aus Goldreliefauflagen und bunter Email-Malerei auf weißem Fond. Diese Technik wurde meistens in Dresden von Dinglinger, in Berlin von der Fromery Werkstatt und in Augsburg praktiziert.
Im frühen 18. Jahrhundert waren französische Tabatieren aus Gold, Silber vergoldet und Email oder mit Edelsteinen geschmückte Dosen Mode auch in Deutschland. Diese wurden hauptsächlich für den Schnupftabak aber auch für die Aufbewahrung von Puder, Rouge, Pillen und Dragées benutzt.
Die Machtentfaltung Friedrich des Großen (1712-86) bedeutete aber auch eine Einschränkung der Einfuhr von Galanteriewaren aus Frankreich. Das Ziel war, die lokale Produktion solcher Waren zu fördern. Friedrich selber genauso wie der Leiter der Meißner Porzellanmanufaktur Heinrich von Brühl (1700-63) besaßen beide eine sehr große Sammlung von Schnupftabakdosen.
Berlin wurde von Paris bezüglich der Herstellung von Galanteriewaren im 18. Jahrhundert stark beeinflusst. Die sichere Zuschreibung emaillierter Dosen an eine bestimmte Werkstatt ist schwierig, da Marken oder Signaturen sehr oft fehlen. Neueste Recherchen sind zu der neuen Hypothese gekommen, dass die Email-Teile in Berlin hergestellt wurden, nach Paris verkauft und schließlich dort mit Pariser Marken ligiert wurden. Vergleich dazu zwei Dosen mit Email de Saxe in The Metropolitan Museum of Art aus der Robert Lehman Sammlung (und The Robert Lehman Collection 2012, Kat. Nr. 72-73/S. 154-155).
Für weitere Vergleichsbeispiele der gleichen Periode aus Berliner Werkstätten, die Dosen dieser Art produzierten, s. z.B. in den Sammlungen des MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst: http://sammlung.mak.at/sammlung_online?id=collect-27234.
Holzhausen, Walter, ‚Email mit Goldauflage in Berlin und Meißen nach 1700’ In: Kunstwanderer, Sept. 1930/1931, S. 4-12.
Klar, Martin, ‚Berliner Galanteriewaren aus Friderizianischer Zeit’ In: Pantheon, Band V, 1930, Jan./Juni, S. 69-72.
Somers Cocks, Anna & Truman, Charles, The Thyssen-Bornemisza Collection: Renaissance Jewels, Gold Boxes and Objets de Vertu, Sotheby Publications/The Thyssen-Bornemisza Collection: London, 1984, Kat. Nr. 91/S. 266-269.
Steingräber, Erich, ‚Email’ In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. V (1959), Sp. 1–65; in: RDK Labor, URL: [25.05.2017]
Honour, Hugh und Fleming, John, Lexikon Antiquitäten und Kunsthandwerk, Beck-Prestel: München, 1984.
Koeppe, W., Le Corbeiller, Cl., Rieder, W., et al. (Hrsg.), The Robert Lehman Collection, XV : Decorative Arts, The Metropolitan Museum New York/Princeton University Presse: New York, 2012.
Rupp, Herbert, Steiskal-Paur, Richard, Art Cult Center – Tabakmuseum (Hrsg.), Snuff Boxes oder Von der Sehnsucht nach lüsternen Nase, Katalog zur Sonderausstellung des Österreichischen Tabakmuseums vom 30. November 1990 bis 31. Jänner 1991, Wien: Austria Tabakwerke Aktiengesellschaft, 1990.