MÜNZ-DECKELBECHER EINES PASSIONIERTEN SAMMLERS, GEGOSSENER CORPUS; AUSSERORDENTLICH AUFWENDIG BEARBEITET UND VON HERAUSRAGENDER QUALITÄT

Objektnummer : 

Riga oder Ostpreußen, um 1770
Silber, vergoldet, Corpus gegossen, getrieben punziert, graviert

Jahresbuchstabe: K

Meisterzeichen: C·I·P·, im geschweiften Queroval

Mit 23 teils seltenen Talern und Halbtalern aus den Jahren 1538 – 1765

Höhe: 29 cm; Gewicht: 1500 g

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Detaillierte Informationen

Der konisch geformte Fußbecher von außerordentlich schwerer Qualität präsentiert augenscheinlich die Münzsammlung eines passionierten Sammlers:

23 wertvolle Münzen aus dem mitteleuropäischen Raum, aus mehr als zwei Jahrhunderten – von verschiedenen Herrscherhäusern, Städten und Bistümern – wurden von dem technisch versierten Goldschmied in kunstvollster Weise in den gegossenen Becher eingelassen.

Die Seltenheit einiger der passgenau eingefügten Münzen, war dem Besitzer zur Entstehungszeit des Bechers sicherlich bewusst: Manche der Münzen waren bei der Anfertigung des Bechers bereits zweihundert Jahre alt, viele von ihnen aufgrund von Kriegswirren längst eingeschmolzen.

So ist der Konstanzer Taler mit der Aufschrift DER STAT COSTANTZ MVINTZ 1538 eine der ersten und einzigen geprägten Konstanzer Münzen, die aufgrund des Einflusses der Reformation, eine deutschsprachige Münzumschrift aufweisen.

Der erste Talertyp des Halberstätter Domkapitels mit der Aufschrift S·STEFFANVS PROTO MARTYR, geprägt 1615-1617 unter dem Münzmeister Henning Schreiber, galt als „nur durch Münzakten belegt“, bis vor Kurzem eine Münze von 1617 als Unikum im Kunsthandel auftauchte.

Weitere Münzen mit Bildnissen der Angehörigen des europäischen Hochadels, zieren Wandung und Deckel des fein gearbeiteten Bechers: Darunter Bildnisse mehrerer Kaiser des HRR, König Ludwig XV von Frankreich, Könige von Preußen, Polen, Ungarn, Böhmen Kroatien, Erzherzöge von Österreich, die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, Sachsen-Coburg-Saalfeld und das Bildnis des Großherzogs von Litauen und der Fürsterzbischof von Salzburg, sind auf dem Becher ebenso vertreten wie Stadtmünzen aus Konstanz und Metz sowie der Schweizer Städte Chur, Basel und Zürich.

Im Boden des Münzbechers wurde der sogenannte „Salvatortaler“ von 1632 mit dem Bildnis des schwedischen Königs GVSTAVUS ADOLPH D G REX SVECORVM, sowie der Aufschrift SALVATOR MVNDI SALVANOS M DC XXX II, eingelassen – einer Münze die als Amulettmünze galt und dessen gut erhaltene Exemplare heute gesucht sind.

Die handwerkliche Meisterschaft und Detailgenauigkeit des Goldschmieds, zeigt sich nicht nur im passgenauen Einlassen der Münzen. Fein ziselierte und gravierte Ranken, Blüten und Bukranien erheben sich im Flachrelief vor aufwendig punziertem Hintergrund. Effektvolle Teilvergoldung hebt die feine Ornamentik der Blüten ebenso hervor, wie die in Silber belassenen Münzen.

Während die qualitätvolle Innenvergoldung des Münzbechers vor allem funktionalen Zwecken diente, wurde die Vergoldung an Standring, Lippenrand, Deckelrand und Knauf des Bechers, vom Goldschmied primär zur horizontalen Gliederung und Betonung der Dekoration eingesetzt.

Die Herkunft des Bechers konnte aufgrund der fehlenden Stadtmarke und nicht aufgelösten Meistermarke noch nicht abschließend geklärt werden: Zahlreiche Münzbecher und Münzhumpen des 17. und 18. Jahrhunderts mit eingelassenen Münzen und aufwendiger floraler Dekoration entstanden in Berlin, Breslau, Königsberg und dem Baltikum.

In Ostpreußen war insbesondere im 18. Jahrhundert die Kombination der Stempelung von Jahresbuchstaben und Meisterzeichen weit verbreitet.

Die konischen Becherform mit einem Deckel, bekrönt mit kugeligem Knauf und der floralen Dekoration, lässt hingegen eher eine Entstehung des Bechers in den Baltischen Staaten, insbesondere in Riga vermuten. Wie Annelore Leistikow schreibt, wurde in Riga insbesondere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts „die aus Preußen bekannte Dekoration mit Münzen und Medaillen auf die Wandung der Becher übernommen“.

Auf die baltischen Länder könnte auch die besondere Anbringung des Salvatortalers im Boden des Bechers hinweisen. Im Deckel eines Münzhumpens von Michael Röhl aus Mittau, entstanden zwischen 1680–1720, wurde an repräsentativer Stelle, umgeben von floralen Motiven ebenfalls eine Münze von Gustav Adolph von 1632 eingelassen.

Die Erweiterung des 1735 in Berlin erlassenen General-Privilegiums und Güldebriefs des Goldschmiedegewerks am 14. Mai 1770 von Preußen und Ostpreußen bis zu den gesamten Städten des Litauischen Departements, erleichterten wandernden Gesellen und Goldschmieden die Tätigkeit fernab von Berlin und Westpreußen. Sie förderten zudem die weitere Verbreitung künstlerischer Einflüsse und Dekorationsformen.

Vom Einlassen der Münzen ganz abgesehen, mussten die zierlichen, fein gearbeiteten Blüten, Ranken und Ornamentformen, die die Jahrhunderte alten Münzen des passionierten Sammlers auf sensible, aber effektvolle Weise präsentieren, von dem spezialisierten Goldschmied des 18. Jahrhunderts in Monate langer Handarbeit getrieben, punziert, ziseliert, vergoldet und poliert werden – ein für uns heute unfassbarer Aufwand.

 

LITERATUR

Czihak, Eugen von: Die Edelschmiedekunst früherer Zeiten in Preußen, 1. Teil, Allgemeines, Königsberg und Ostpreußen, Leipzig 1903, S. 30f.

Leistikow, Annelore: Baltisches Silber, Institut Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 1996, insb. S. 107,112–119, 131, 134, 141–143

Pechstein, Klaus: Breslauer Goldschmiede, in: Deutsche Kunst aus dem Osten, Kat. Ausst. Berlin 1989, S. 31–40

Rosenberg, Marc: Der Goldschmiede Merkzeichen, Deutschland A-C, Band 1 Frankfurt 1922, S. 252–264 (zu Berlin)

Scheffler, Wolfgang: Berliner Goldschmiede, Daten, Werke, Zeichen, Berlin,1968