Klassizistischer silberner Gläserkühler aus dem Besitz Herzogs Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha

Objektnummer #323

Augsburg 1804/5

Gustav Friedrich Gerich

Silber, getrieben, gegossen, ziseliert, punziert, graviert

Beschauzeichen, Meistermarke und Tremolierstich unten, mittig am Gefäßboden:

Beschauzeichen: Pyr für Augsburg 1804/5 (Seling 2007, Nr. 2880)

Meistermarke: “GFG” für Gustav Friedrich Gerich (Seling 2007, Nr. 2524)

Monogramm: des Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha in Form eines “E” mit Fürstenhut, darunter Service-Nr. “5” graviert.

Länge: 35 cm, Breite: 22 cm, Gewicht 2270 g

Bilder

Detaillierte Informationen

Eleganter silberner Gläserkühler aus dem Besitz Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha

Der ovale, repräsentative Gläserkühler ist durch klare, klassizistische Formen strukturiert und wirkt ausgesprochen modern.

Vier muskulöse, auf Kugeln balancierende, gegossene Löwentatzen, tragen den eleganten Gläserkühler. Als Handhaben dienen zwei gegossene, durch bewegliche Halteringe versehene Löwenmaskarons, die ebenso wie die Löwenfüße auf eine Tradition barocker Gläserkühler verweisen: Löwenköpfe und Füße finden sich z.B. am repräsentativen Kühlbecken von Johann Jakob II Bruglocher, Augsburg 1731-1733, in der Staatlichen Ermitage in St. Petersburg, sowie am prächtigen Gläserkühler von Johann Friedrich Breuer, Augsburg um 1701/11, im Bayerischen Nationalmuseum München.

Im Kontrast zum traditionellen Löwenmotiv steht die klassizistische Grundform des großen für 12 Gläsergeschaffenen, luxuriösen Kühlgefäßes. Die Wandung wird kunstvoll durch polierte, parallel angelegte, vertikal aufragende Zungengodronen strukturiert. Ein stilistierter Palmettenfries schließt das Becken nach unten hin ab, während der obere Rand des edlen Gläserkühlers leicht nach außen gebogen, einen zinnenartigen Abschluss findet.

Zentral in der Mitte der Zinnen befindet sich das eingravierte Monogramm Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha. Dieses ist auch auf anderen Goldschmiedearbeiten aus dem Besitz des Herzogs, sowie auf Pfennigen, Kreuzern und Groschen aus der Regierungszeit Ernst I. zu finden.

Für die standesgemäße Repräsentation waren aufwendig gearbeitete Tafelsilberobjekte von großer Bedeutung. Wertvolle Gläserkühler fanden ihren Platz in unmittelbarer Nähe der fürstlichen Tafel und galten spätestens seit dem 18. Jahrhundert als fester Bestandteil des höfischen Tafelzeremoniells. Die zinnenartigen Ausbuchtungen dienten zum Einhängen der kostbaren Stielgläser ins Eiswasser. Das gekühlte Getränk konnte dem Speisenden im gut temperierten Glas vom Silberbuffet aus gereicht werden.

Silberne Gläserkühler haben sich nur selten erhalten und sind daher ganz besonders kostbar. Das vorliegende Augsburger Kühlgefäß zeichnet sich durch die Kombination klassizistischer Formen und Dekorationselemente mit traditionellen Gestaltungselementen – dem Löwendekor – aus. In seiner klaren eleganten Formensprache erinnert es weniger an Augsburger als an englisches Silber des späten 18. Jahrhunderts.

Provenienz: Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha

Der außerordentlich schöne Gläserkühler gehörte ursprünglich zu einem größeren Tafelservice, das sich im Besitz des Herzogs Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha befand.

Eine mit Zungengodronen verzierte, in Kantharosform angelegte Deckelterrine befindet sich noch heute im Besitz der „Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Familie“ in Coburg (s. Foto mit Detail des Monogramms).Terrine Silber, Ernst I. Herzog Saxe-Coburg-Gotha

Diese weist ebenfalls klassizistische Dekorationselemente und Palmettendekor auf und stammt von dem Augsburger Goldschmied Gustav Friedrich Gerich 1802. Unter dem mittig auf der Deckelterrine angebrachten Monogramm Herzog Ernst I. (E mit Fürstenhut) wurde die Ziffer 1 eingraviert.

„Zwei Deckelschüsseln in dreieckiger Form“, gefertigt von Gerich 1803, weisen denselben Dekor auf. „Zum Service gehörten außerdem zwei Weinkühler in zylindrischer Grundgestalt (mit den Ziffern 1 und 2) und ein Gläserkühler in strenger Erscheinung mit senkrechter Wandung,“ die Gerich 1804 anfertigte. Lorenz Seelig vermutete bereits im Katalog der Ausstellung 1997, dass „einst noch weitere Deckelschüsseln in unterschiedlicher Form vorhanden waren“ und verweist darauf, dass es sich bei den Ziffern um die „Nummerierung der einzelnen Serviceteile“ handelte.

Die bekannten Teile des aufwendig gearbeiteten Tafelservices entstanden in den Jahren 1802-4. Sie wurden in Augsburg von Gustav Friedrich Gerich angefertigt und an zentraler Stelle mit Herzog Ernst I. Monogramm und Service-Nr. versehen. Seelig vermutete, dass sie entweder aus der Silbersammlung von Herzog Franz von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Ernsts I. Vater übernommen und nach dem offiziellen Regierungsantritt 1806 mit dem Fürstenhut Herzog Ernst I. versehen wurden. Älteres Silber könnte auch später für die Silberkammer erworben worden sein, als aufgrund der Napoleonischen Kriege sowie wirtschaftlicher und politischer Krisen viele kostbare Silberobjekte auf dem Markt zu finden waren.

Herzog Ernst I. wurde aufgrund der Krankheit seines Vaters bereits 1803 für volljährig erklärt und übernahm nach dem Tod seines Vaters 1806 die Regierung des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld. Er war ab 1826 erster Herzog des neuen Doppelherzogtums Sachsen-Coburg und Gotha.

Herzog Ernst I. stand in engster Beziehung zu den führenden Fürstenhäusern seiner Zeit. Er war 1801 General zu Pferden unter Zar Alexander I. und kämpfte 1813/14 als preußischer General unter König Friedrich Wilhelm III. zu Preußen. Seine Schwester Juliane (Anna Fjodorowna) war mit dem russischen Großfürsten Konstantin, dem Bruder des Zaren Alexander I. verheiratet. Sein jüngerer Bruder Leopold wurde 1831 König von Belgien. Ernst I. war der Vater des britischen Prinzgemahls Albert und über seine Schwester Victoire der Onkel der späteren Königin Victoria von Großbritannien und Irland, also ein direkter Vorfahre des britischen Königshauses der Windsors.

Meister

Gustav Friedrich Gerich wurde in Barfusdorf/Pommern um 1726 geboren. 1769 wurde er Meister und heiratete im gleichen Jahr das erste Mal, dann noch einmal 1776 und 1795. Gerich starb 1808. Seine Witwe Elisabetha Jakobina Mayr führte die Werkstatt nach seinem Tod fort.

Weiterer Objekte von Gustav Friedrich Gerich befinden sich in namhaften Museen wie dem Historischen Museum St. Gallen, in der Silberkammer der Münchner Residenz, im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, in der Silberkammer Darmstadt sowie im Besitz der Stiftung der  Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Familie.

Literatur

Andressen, B. Michael: Barocke Tafelfreuden an Europas Höfen, Stuttgart/Zürich1996, zu Abbildungen von Gläserkühlern, Flaschenkühlern und Schwenkgefäßen ab dem 15. Jh.

Baumstark, Reinhold und Seling, Helmut (Hrsg.):  Silber und Gold, Augsburger Goldschmiedekunst für die Höfe Europas, Ausstellung vom 23. Februar – 29. Mai 1994 im Bayerischen Nationalmuseum München, München 1994, S. XXXI, Kat Nr. 79, 175, zum Gefäßtypus und zur Funktion der Kühlgefäße.

Bosbach, Franz: Windsor-Coburg, Geteilter Nachlass – Gemeinsames Erbe, Eine Dynastie und ihre Sammlungen, München 2007, S. 35 zur Ausstattung der Schlösser.

Eberle, Martin: Die Kunstkammer auf Schloss Friedenstein Gotha: Stiftung Schloss Friedenstein, 2010 (Aus den Sammlungen der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Stiftung für Kunst und Wissenschaft, insbesondere S. 30 über ständige Veränderungen der Sammlungen.

Henker Michael, u.a. (Hrsg.): Ein Herzogtum und viele Kronen, Coburg in Bayern und Europa, Katalog zur Landesausstellung 1997 des Hauses der Bayerischen Geschichte und der Kunstsammlungen der Veste Coburg in Zusammenarbeit mit der Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha´schen Familie und der  Stadt Coburg, Veste Coburg und Schloß Callenberg, 3. Juni-28.September 1997, darin: Lorenz Seelig, Kat. Nr. 9-14, Deckelterrine mit Untersetzplatte von Gustav Friedrich Gerich, S. 453f. zum Tafelservice Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha.

Hernmark, Carl: Die Kunst der Europäischen Gold- und Silberschmiede 1450-1830, München 1978, S. 137 zu Gläserkühlern.

Seling, Helmut: Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868, 3. Band, Meister, Marken, Beschauzeichen, München 1980, Seling Nr. 2524, zu Gustav Friedrich Gerich.

Seling, Helmut: Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868, 3. Band, Meister, Marken, Beschauzeichen, München 2007, Seling Nr. 2524, zu Gustav Friedrich Gerich.